Station 1

Lied der Bitterkeit

Sie fragten nach meiner Bestallung,
Das brachte mein Blut in Wallung:
„Ich werde den Gott euch künden
Auf Fluren und Wiesengründen!
Das Recht des Lebens euch lehren
Und ewiges Wiederkehren!
Ich werde die Raben scheuchen –
Erwartet kein anderes Zeichen!“

 

Station 2

Gruß an Warmbronn

Ab ist geerntet das Feld, nur einzig verspäteter Haber
Steht da drüben, und doch: Wie warm, wie sommerlich! Ob auch
Gelb am Saume des Walds sich überneigen die Birken.
Und auf die Höhe der Heid‘ da schauen von Ferne die dunklen
Schwarzwaldberge herein, und silbrig glitzert ein Weiher. –
Sei mir gesegnet, du Land des Sonnscheins, freundliche Heimat!

 

Station 3

Blühender Kirschbaum

Ungezählte frohe Hochzeitsgäste.
Groß und kleine, einfach und betresste:
Herrn und Frauen, Edelfräulein, Ritter,
Ungezählte Väter wohl und Mütter;
Ungezählte Kinder, Großmatronen,
Jägerinnen viel und Amazonen,
Freche Dirnen wohl mit Ernsten, Frommen
Auf dem Edelhof zusammenkommen.

Ungezählte bräutlich schöne Zimmer,
Da und dort wohl mädchenhafter Flimmer,
Ungezählte ros´ge Hochzeitsbetten
Und daneben heimlich traute Stätten;
rosenfarbig ausgeschlagne Stübchen
Für die Harfnerinnen und Schönliebchen;
Ungezählte Schalen mit Getränken,
Ungezählte Köche wohl und Schänken,
Ungemessner Raum zu freiem Walten
In dem Hochzeitshause ist enthalten.

Ungezähltes Kommen oder Gehen,
Abschiednehmen, Kehren, Wiedersehen,
Essen, Trinken, Tanzen, Liebesgrüßen,
Liebgewordnes wohl umarmen müssen;
Ungezähltes inniges Umfassen,
Götterfreies wohl gewähren lassen;
Ungezähltes Leid und Selbstvergessen
In dem luftgen Saale, – währenddessen
Ungezählte selige Minuten
An dem Freudenheim vorüberfluten.

 

Station 4

Auf der Lichtung

Sommermittag auf dem Hochwald brütet,
Aber auf der Lichtung treu behütet
Vom Geflechte dunkler Brombeerranken,
Wachen auf des Waldes Lichtgedanken.
Falter sind es, die so farbenprächtig,
Auf der Lichtung, sonnig halb und nächtig,
Diese Brombeerblüten still umbeben,
Purpurdisteln geistergleich umschweben.
Sagt mir an ihr stillen Geisterfalter
Auf der Lichtung: Wie viel Zeitenalter
Ihr im Banne laget bei den Toten,
Eh ihr wurdet solche Wunderboten?

 

Station 5

Auf das Grab eines Mädchens

Birke und Trauerweide
Umschatten beide
Dein stilles Bette,
Als ob ein Englein hätte
Flügel gespreitet;
Heut zur Geburtstagsfeier
Lichtgrün fließende Schleier
Drüber gebreitet.

 

Station 6

Müdigkeit

Am Wege stand ein dürres Scheitermaß
Ganz überwuchert schon von Busch und Gras,
Ganz jedem Frost und Regen ausgesetzt; –
Was suchst du Bessres, töricht Herz anjetzt?
Bist du nicht selbst jetzund ein dürres Scheit,
Zurückgelegt für eine künftge Zeit?

 

Station 7

Auf der Steige

Wann Reif noch hängt an jedem Baumeszweige,
Von Knospen kahl noch ist ein jeder Ast,
In bangen Nächten ich verzweifelt fast,
Ob je einmal der Winter geh zur Neige;
Dann raff ich auf mich, wandre hin zur Steige,
Ob blühen ich nicht seh den Seidelbast,
Ein gelber Falter nicht als Sommergast
So wegentlang im Sonnenschein sich zeige!
Und doch, o sieh: Zitronenfalter scherzen
Die schneebefreiten Pfade schon entlang,
Beim ersten, warmen Sonnenstrahl des Märzen;
Und dort, o sieh: Auf sommerlichem Hang
Des Märzenblümleins rosenrote Kerzen,
Dem Winter leuchtend zu dem Abschiedsgang.

 

Ostersamstag

Wie die Frauen
Zions wohl dereinst beim matten Grauen
Jenes Trauertags beisammen standen,
Worte nicht mehr, nur noch Tränen fanden;

So noch heute,
Stehen als in ferne Zeit verstreute
Bleiche Zionstöchter, Anemonen,
In des Nordens winterlichen Zonen:

Vom Gewimmel
Dichter Flocken ist er trüb der Himmel;
Traurig stehen sie die Köpfchen hängend,
Und in Gruppen sich zusammendrängend.

Also einsam,
Zehn und zwölfe hier so leidgemeinsam,
Da und dort verstreut auf grauer Öde,
Weiße Tüchlein aufgebunden Jede.

Also trauernd,
Innerlich vor Frost zusammenschauernd,
Stehn alljährlich sie als Klagebildnis,
In des winterlichen Waldes Wildnis.

 

Station 8

Ein Eden

Von einem Eden möcht ich heut erzählen,
Das mich der Herr mit Augen sehen ließ:
Ein kleines Tal, wo Rebenland und Wies
Und Blumentag und Waldnacht sich vermählen.
Im Wechselton von Hecken, Rebenpfählen,
Von grünen Wiesen, buntem Weinbergskies;
Im Wald versteckt, als wollt dies Paradies
Der Herr der Welt dem Aug der Welt verhehlen.
Der Wanderer geht auf seinem Pfad im Walde
Bewundernd hin. – Sein trunknes Auge ruht
Auf Tal und Wald und Blütenmeer der Halde.
Da schmettern aus des Waldes grüner Hut,
Kuckuck! Kuckuck! Zwei selge Lenzheralde,
Als ob sie sagen wollten: Hier ist’s gut!

 

Station 9

Oswalds Vermächtnis

Dein ist Alles, all und jede Wonne,
Wann sie aufgeht dir als eigne Sonne;
Jeder Tag vom Licht emporgetragen,
Wann er aufgeht dir als eignes Tagen.
Dein ist Alles, all der Blumen Glühen,
Wann hervor sie aus dir selber blühen;
All die Rosenknospen auf der Erden,
Wann sie Rosen in dir selber werden.

 

Station 10

Sehnsucht

Unendliche Pappelreihen
Voran, zurück,
Eröffnen nach Räumen, freien,
Der Sehnsucht Blick.
„Grad ob die Finger mich wiesen
Nach fernem Strand,
Frommgläubigem Hoffen verhießen
Ein bessres Land.“

 

Station 11

Es gibt Sonnen genug…

Christian-Wagner-Brunnen (1995)
entworfen von Frei Otto

„Wer für Christian Wagner ein Symbol sucht,
der findet den Baum: Wer seinem Wesen
nachgräbt, findet seine Worte: ‚Es gibt Sonnen
genug …‘ Worte in Wasser, das aus den
Zweigen des Baumes zur dürstenden Erde
tropft und einen Kreislauf schließt, dessen
Beginn durch Wurzeln gezeigt ist.
Der Baum ist ein bedeutungsvolles Lebewesen
dieser Erde, mit Wurzeln, Stamm und
Zweigen, gefüllt mit dem Lebenssaft Wasser.
Die Skulptur über dem Brunnenrand ist
Symbol der Natur, ist zugleich Technik im
Dienst der Kunst.“
Frei Otto