„Bürgertreff Warmbronn“ (im roten Rathaus), Hauptstraße 42, Ortsmitte Leonberg-Warmbronn

Ausgewählte Gedichte Christian Wagners

vorgestellt von  Axel Kuhn und Andrea Wieck

Eintritt frei – Spenden erbeten

In lockerer Kaffeehaus-Atmosphäre werden drei bis vier Gedichte Christian Wagners zum Thema Jahreszeiten gelesen und besprochen. Die Texte werden zuvor ausgeteilt, und die Anwesenden sind zum Gedankenaustausch eingeladen.

 

Gedichtauswahl:

DER ERSTE WINTERMORGEN (LYRISCH)

Auf den Winter 1868

Wie schön bist du, o Winter! Mir vor allen
Gegrüßt, geliebt, wann du mit wilder Hast
Der weiten Schöpfung laubbekränzte Hallen
Umwandelst zum Kristallpalast.

Ergraut wars Feld, umflort der Abendhimmel,
Das Wiesental verschwamm zum Nebelmeer,
Da schwirrten Nachts in wogendem Gewimmel
Mir weiße Flocken an das Fenster her.

Und Morgens sah ich, als dort matt im Osten
Die Sonne stieg, des Winters Silberflur,
Ein weißes Feld, auf welchem Blumen sprossten;
Doch lauter tote, Eisesblumen nur.

(Überlieferung: Handschrift DLA Marbach 2111; abgedruckt in „Sonntagsgänge I. Teil“ ohne Titel und Untertitel;
im Inhaltsverzeichnis der Titel „Winter“.)

 

 

TRÜBER FRÜHLING

Noch liegt die Flur in starrem Frostverbande,
Tag schleicht an Tag in grauem Wartgewande
An ihrem Bett vorüber, um zu weinen,
Dass immer nicht der Frühling will erscheinen,
Dass immer nicht der Lenz, der strahlig holde,
Die bleichgewordne Wang ihr übergolde.

Der Lose sucht für seines Kusses Strahlen
Nicht eine Braut mit diesen Altersmalen;
Er liebt es nicht, zu scherzen und zu kosen
Mit diesen Lippen, diesen farbenlosen,
Nicht diesen Sterbkranz, diesen wintergrauen,
Nicht dieses Leichenantlitz mag er schauen.

 

 

HOCHSOMMER

Es ist so still im Wald,
Ich glaube, bald, ja bald
An sein Verstummen;
Kein Vöglein mehr, das singt – –
Auf sich ein Falter schwingt,
Und Käfer summen.

Ich suche Ruh, ja Ruh
Und schließ die Augen zu,
Mach auf sie wieder;
Mir wird zu viel das Licht,
Die Ruhe stärkt mich nicht,
Sie drückt mich nieder.

Wohl menschlicher gewiss
Wär nach der Finsternis
Ein Aufsichhellen;
Hier ist nur Glanz und Tag,
Hier ist kein Stundenschlag,
Nur Lichteswellen.

Und Geist und Leib erschlafft
In dieser Feuerkraft
Und diesen Wonnen;
Ich sehn die Nacht herbei,
Wie wohl dem Menschen sei
Bei Kerzensonnen.

(Sonntagsgänge II. Teil 19. Sonntag)

 

 

Die letzten Blätter der Bäume
Am Waldgesäume
Oktobertags milde Strahlen
Lichtgoldig malen.

Um des Ligusters Geschling
Schwebt noch ein Schmetterling,
Ihn lässet der Himmel, so offen,
Lenztage hoffen.

(Herbstblumen, Neuausgabe S. 52)